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Grüne Woche 2020: 12. Global Forum for Food and Agriculture beendet

Berlin, 19. Januar 2020 (ots) – Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner:
„Beschlüsse sind ein starkes Zeichen für einen regel- und wertebasierten
Freihandel.“

Die Voraussetzungen für die landwirtschaftliche Produktion sind global extrem
unterschiedlich. So haben laut der Weltbank 65 Länder nicht genug fruchtbares
Ackerland, um ihre Bevölkerung – selbst unter optimalen Bedingungen – zu
ernähren. Die Auswirkungen des Klimawandels und die rasant wachsende
Weltbevölkerung verschärfen den Druck auf die knappen und zudem ungleich
verteilten Ressourcen. Wie kann der Handel hier einen Ausgleich schaffen? Und
wie muss er gestaltet werden, damit er eine sichere, vielfältige und nachhaltige
Ernährung für alle Menschen ermöglicht? Diese Fragen standen im Zentrum des 12.
Global Forum for Food and Agriculture (GFFA) im Rahmen der Internationalen
Grünen Woche Berlin 2020. Rund 2.000 Vertreterinnen und Vertreter aus Politik
und Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft diskutierten vom 16. bis 18.
Januar auf Einladung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft in
16 Fachpodien miteinander, informierten sich auf der GFFA-Innovationsbörse über
neue Produkte und Dienstleistungen und fieberten beim „Science Slam“ mit den
Wissenschaftlern mit. Das Leitthema lautete „Nahrung für alle – vielfältig,
sicher und nachhaltig“.

Agrarpolitischer Dialog im globalen Kontext

„Das GFFA hat sich in den letzten zwölf Jahren als der agrarpolitische Dialog im
internationalen Raum etabliert“, eröffnete der Parlamentarische Staatssekretär
bei der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Uwe Feiler, die
dreitägige Konferenz. Als Beispiel nannte er den internationalen Digitalrat für
Ernährung und Landwirtschaft, den die Welternährungsorganisation FAO in Berlin
vorstellte. Mit der Erarbeitung des Konzepts war die UN-Organisation einer Bitte
nachgekommen, die als Ergebnis des letztjährigen GFFA von Agrarministerinnen und
-ministern aus 74 Nationen an sie herangetragen wurde. „Das ist ein schöner
Beweis für die Wirksamkeit der Konferenz“, freute sich Feiler.

Die Staatssekretärin für Verbraucherschutz und Antidiskriminierung bei der
Berliner Senatsverwaltung, Margit Gottstein, begrüßte die Tatsache, dass immer
mehr Unternehmen auf verantwortungsvolle Lieferketten setzen und Aspekte wie die
Einhaltung von Sozialstandards oder den Umwelt- und Klimaschutz in ihren
Warenströmen berücksichtigen. Auch der Berliner Senat habe beschlossen, in der
Gemeinschaftsverpflegung künftig möglichst viele regionale Produkte – ab 2021
mindestens zur Hälfte in Bio-Qualität – anzubieten. Zugleich betonte Gottstein,
dass auch die Verbraucherinnen und Verbraucher durch ihre Kaufentscheidungen
Handelsströme beeinflussen können. „Wir tragen alle Verantwortung“, mahnte die
Staatssekretärin.

Das bestätigte auch der Geschäftsleiter Einkauf von Lidl Deutschland, Jan Bock.
Um seinen Kunden zu garantieren, dass in den tierischen Produkten nur
gentechnikfreie Futtermittel zum Einsatz kommen, unterstützt der Discounter –
laut Bock Nummer eins in Europa und Nummer vier am Weltmarkt – den Anbau
gentechnikfreien Sojas in Brasilien. Nicht immer bewahrheite sich der
Verbraucherwunsch allerdings auch an der Kasse. So habe Lidl Deutschland im
vergangenen Jahr geplant, nur noch Bananen aus fairem Handel anzubieten. „Die
Konsumenten waren aber nicht bereit, den Aufpreis von zehn Cent pro Kilogramm zu
zahlen“, berichtete der Einkaufschef; das Unternehmen musste wieder „reguläre“
Bananen ins Sortiment nehmen.

Nachhaltige Entwicklung im Fokus

Im Jahr 2015 haben die Vereinten Nationen die Agenda 2030 mit 17 Zielen für
nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) verabschiedet. Das
gemeinsame High Level Panel von Welthandels- (WTO) und
Welternährungsorganisation (FAO) widmete sich der Frage, welchen Beitrag der
Handel zum Erreichen von SDG 2 – eine Welt ohne Hunger und Mangelernährung –
leisten kann. Dabei zeigte sich einmal mehr, dass der globale Warenaustausch ein
zweischneidiges Schwert ist.

„Wir müssen 95 Prozent unserer Nahrungsmittel importieren“, sagte die Agrar- und
Fischereiministerin der Malediven, Zaha Waheed. Die Bevölkerung des Inselstaats
konnte nach dem Tsunami 2004 nur mit Hilfe des UN-Welternährungsprogramms (WFP)
überleben. Für Arbeitsplätze und Einkommen sorgt der Fischfang, der ein Fünftel
des Proteinbedarfs der Bevölkerung deckt und auch Exportmärkte bedient. Die EU
verlange hier Einfuhrsteuern von 28 Prozent. Dieselben Regeln würden für Länder
gelten, die nicht so nachhaltig produzierten. „Sollen wir ökologisch und ‚grün‘
sein, muss sich das auch im Wettbewerb zeigen“, forderte die Ministerin.

„Wenn wir SDG 2 erreichen wollen, brauchen wir keinen gleichen, sondern einen
gleichberechtigten Handel“, zeigte sich Ertharin Cousin, Distinguished Fellow
beim Chicago Council on Global Affairs, überzeugt. Die frühere
Exekutivdirektorin des Welternährungsprogramms erinnerte daran, dass
Lebensmittelimporte in Entwicklungsländern häufig aus hochkalorischen Produkten
bestehen und so zur Fehlernährung beitragen; das Problem der Fettsucht, das auch
immer mehr Menschen in armen Ländern betrifft, gehe häufig mit geringer
Kaufkraft einher. Deshalb sei es wichtig, Investitionen in Nahrungsmittelsysteme
zu fördern, die lokale Arbeitsplätze schaffen und für Vielfalt in der Ernährung
sorgen.

Der stellvertretende Generaldirektor der WTO, Alan Wolff, gab zu bedenken, dass
internationale Agrarhandelsbeziehungen nicht nur Lebensmittel betreffen, sondern
beispielsweise auch technische Ausrüstung, etwa für Bewässerung, oder
Dienstleistungen, beispielsweise Ernteversicherungen. „Handel kann viel
kompensieren, etwa Ausfälle, wie sie jetzt durch die Buschfeuer in Australien
entstehen“. Zudem erinnerte Wolff an die Tatsache, dass der Grund Nummer eins
für die Aufnahme internationaler Handelsvereinbarungen die Friedenssicherung war
– „Seine Kunden bekämpft man nicht“, so die Weisheit, auf der die WTO-Gründung
fußt.

High Level Panels der Europäischen Union

Das Potenzial des Agrar- und Lebensmittelhandels für die Ernährungssicherung und
Wirtschaftsentwicklung in Afrika stand im Mittelpunkt des High Level Panels der
Europäischen Union. In der Malabo-Erklärung der Afrikanischen Union (AU) vom
Juni 2014 haben sich die afrikanischen Länder verpflichtet, den
innerafrikanischen Handel bis 2025 zu verdreifachen. Außerdem ist für 2020 die
Schaffung eines afrikanischen Binnenmarktes durch eine Freihandelszone geplant.
Die 55 Staaten der AU sind in fünf Regionen eingeteilt; künftig soll der
komparative Vorteil jeder einzelnen Region für den Handel verstärkt zum Tragen
kommen.

„Ohne den innerafrikanischen Handel könnten wir nicht überleben“, betonte die
stellvertretende Landwirtschaftsministerin Namibias, Anna Shiweda. Das
niederschlagsärmste Land südlich der Sahara versucht, möglichst wassersparend zu
wirtschaften. Wichtigstes Agrarprodukt ist Rindfleisch, das in die EU und seit
kurzem auch nach China und Hongkong sowie in die USA exportiert wird. „Große
Mengen können wir nicht produzieren; wir setzen auf Qualität, damit unsere
Erzeuger hohe Preise erzielen können“, beschrieb Shiweda die Handelsstrategie
ihres Landes.

Den Teufelskreis, in dem viele Bauern in Entwicklungsländern gefangen sind,
verdeutlichte die Kommissarin für ländliche Wirtschaft und Landwirtschaft der
Afrikanischen Union, Josefa Sacko. Internationale Märkte verlangen Qualität. Und
über die Preise der gehandelten Produkte bestimmt der Weltmarkt. „Wer gute
Qualität erzeugen will, muss investieren. Unsere Landwirte können das aber
nicht, wenn die Preise, die sie für ihre Produkte erzielen, zu niedrig sind und
die Investitionen sich nicht amortisieren“, kritisierte die AU-Kommissarin.

Auch Äthiopiens Agrarminister Oumer Hussien Oba sieht den internationalen Handel
mit gemischten Gefühlen. Äthiopien ist der wichtigste Kaffeeproduzent auf dem
Kontinent, 15 Prozent der Produktion gehen in den Export, wo Premiumpreise
erzielt werden können. In anderen Branchen, etwa im Gartenbau, sehe es weniger
rosig aus. Hier könnte der Großteil der hohen Anforderungen der EU – von der
Produktion bis zum Marketing – noch nicht erfüllt werden. „Wir wollen nicht,
dass die EU ihre Standards senkt, sondern dass sie uns ausbildet, damit wir die
Mindestqualitätsstandards einhalten können“, wandte sich der Minister an
EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski.

„Unsere Bauern sagen: Handel ist gut, aber er muss auf Augenhöhe stattfinden“,
stellte Wojciechowski die Position der Europäischen Union klar. Einheitliche
Standards seien wichtig, nicht nur für die Verbrauchersicherheit, sondern auch
für den Schutz der Umwelt und des Klimas. „Ich denke, wir arbeiten sehr
konstruktiv mit Afrika zusammen, damit die Länder unsere Standards besser
einhalten können“, so der EU-Agrarkommissar. Und: „Unsere Tür steht offen für
Produkte aus Afrika.“

Dies bestätigte auch der Generaldirektor des International Food Policy Research
Institute (IFPRI), Johan Swinnen. Die Exporte Afrikas in die EU seien in den
vergangenen Jahren gestiegen. Zwar hätten viele Studien gezeigt, dass
Lebensmittel-Standards auch Handelshemmnisse darstellen können; in vielen Fällen
förderten sie den Handel jedoch, wie das Beispiel Namibias zeige. Doch führt der
Kontinent bisher wenig verarbeitete Produkte aus. Beispiel Schokolade: Afrika
exportiert Kakaobohnen, die in anderen Ländern verarbeitet und dann als
Schokolade reimportiert werden. „Durch Diversifizierung könnte die Integration
in die Weltmärkte deutlich besser werden“, so Swinnen. Die Teilnehmerinnen und
Teilnehmer der Veranstaltung waren sich einig, dass es höchste Zeit ist, Afrika
nicht länger als reinen Rohstofflieferanten zu betrachten.

Berliner Agrarministerkonferenz mit 71 Ministern

Den Höhepunkt des GFFA bildete die 12. Berliner Agrarministerkonferenz, zu der
die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner, 71
Amtskolleginnen und -kollegen aus aller Welt sowie Vertreterinnen und Vertreter
von zwölf internationalen Organisationen begrüßte. „Ohne Handel wird
es keine Sicherung der Welternährung geben“, zeigte sich die Ministerin
bei der Eröffnung des Treffens überzeugt. Wichtig sei, dass der internationale
Handel von Fairness und Transparenz geprägt sei und alle Landwirte – auch die
Kleinbauern im Globalen Süden – auf der Gewinnerseite stehen. Gleichzeitig
dürften Anforderungen etwa an Umweltschutz oder Lebensmittelsicherheit nicht
unterlaufen werden. Um gemeinsame Standards zu garantieren und dafür zu sorgen,
dass marktverzerrende Agrarsubventionen weiter abgebaut werden, sei es
unverzichtbar, die Welthandelsorganisation wieder zu stärken.

Die Ergebnisse ihrer Beratungen hielten die Agrarministerinnen und -minister in
einem gemeinsamen Kommuniqué fest. In ihm verpflichten sie sich, den
internationalen Agrarhandel zu fördern und ihn gleichzeitig nachhaltig zu
gestalten. Hierfür sollen Handelshemmnisse abgebaut und globale Standards
eingeführt werden. Entstehende Wohlstandsgewinne sollen allen Ländern und
allen sozialen Schichten zugutekommen, so eine weitere Forderung. Damit die
Landwirtschaft vom Handel profitieren kann, soll der Aufbau lokaler, regionaler
und globaler Wertschöpfungsketten vorangetrieben werden. Insbesondere
Kleinbäuerinnen und Kleinbauern müssen in ihrem Risikomanagement
unterstützt und stärker in die Märkte eingebunden werden,
heißt es im Kommuniqué weiter. Durch technische und organisatorische
Innovationen soll die Agrar- und Ernährungswirtschaft insgesamt
effizienter und ressourcenschonender und zugleich attraktiv für eine neue
Generation von Landwirtinnen und Landwirten werden.

„Unsere heutigen Beschlüsse sind ein starkes Zeichen für einen regel- und
wertebasierten Freihandel“, betonte Ministerin Klöckner, bevor sie das
Kommuniqué an den Generaldirektor der FAO, Qu Dongyu, den stellvertretenden
Generalsekretär der WTO, Alan Wolff, und den Vize-Minister Kasachstans,
Aidarbek Saparov – als Gastgeber der kommenden WTO-Ministerkonferenz – übergab.
Fortschritte bei der Umsetzung der im Kommuniqué genannten Verpflichtungen
sollen beim GFFA 2022 besprochen werden.

Das Global Forum for Food and Agriculture (GFFA) wird seit 2009 im Rahmen der
Internationalen Grünen Woche veranstaltet. Auf der hochkarätigen Konferenz
treffen sich Expertinnen und Experten aus der ganzen Welt für drei Tage in
Berlin, um über zentrale Zukunftsfragen der globalen Landwirtschaft und
Welternährung zu diskutieren. In diesem Jahr stand die Konferenz unter dem Motto
„Nahrung für alle! Handel für eine sichere, vielfältige und nachhaltige
Ernährung“.

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